Im ersten Teil hab ich angemerkt, dass man diese Bürgerantragstortur nur als Ausdauer-Lokomotive überlebt, wie der legendäre tschechische Läufer Emil Zátopek. Im zweiten Teil wird deutlich, dass eine weitere Eigenschaft vonnöten ist: Man muss an Wunder glauben, wie seinerzeit Katja Ebstein.
2. März 2023
Fast auf den Tag genau nach drei Jahren geht der Antrag „Livestream“ das zweite Mal an den Start. Am 2. März 2023 wird er erneut in die Mangel genommen.
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Während FDP, SPD und GFL sich für den Antrag aussprechen, gibt die CDU zu bedenken, dass geringe Zugriffszahlen zu erwarten seien und deshalb die Kosten zu hoch wären. Es wird eine Entscheidung (Beschluss) getroffen.
Beschluss
Der Haupt- und Finanzausschuss beschließt, die Entscheidung über den Antrag zurückzustellen und an den Ältestenrat zur weiteren Beratung zu verweisen.
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Ältestenrat
Nun muss es also Manitu richten. Die höchste Macht am Willy-Brandt-Platz. Dieses Gremium will sich mit meinem Bürgerantrag befassen. Der Big Boss und seine Oberindianer. Alles ist streng geheim. Ich muss draußen bleiben. Es gibt keine Agenda, der Ort ist vertraulich, Protokolle gibt es auch nicht. Wenig bis nichts dringt nach draußen. Es wird gemunkelt, dass in letzter Zeit hin und wieder gegrillt wird.
Grill den Livestream-Antrag
Mehrere Telefonate mit einem Herrn P aus dem Ratsbüro laufen komplett ins Leere. Trotz dessen Zusage mich zu informieren, wann weißer oder schwarzer Rauch aus dem Wigwam aufsteigt, erfahre ich nichts. Er will mich offensichtlich grillen. Ich greife zum letzten Mittel.
Dienstaufsichtsbeschwerde
Muss man alles hinnehmen? Ich beschwere mich schriftlich. Auch das bewirkt nichts. Irgendwann wird mir mitgeteilt, dass Monsieur P längst nicht mehr bei der Stadt arbeite und leider, das ist nun mal Pech für mich, sein Abwesenheits-Assistent irgendwie inaktiv geworden ist. Das ist doch ein Fall für Mario Barth deckt auf, oder? Und womit niemand mehr gerechnet hat: Die Wende bahnt sich an, hoffe ich.
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26.09.2024
Über vier Jahre sind ins Land gegangen. Am 26.09.2024 steht Livestream zum dritten Mal auf der Tagesordnung. Es wird wieder munter diskutiert. Die CDU sonnt sich in ihrer Allzeitablehnung. Die anderen wollen wenigstens einer abgespeckten Version zustimmen. Livestream ja, aber nur testweise für ein Jahr und nur bei Ratssitzungen. Und so heißt es dann:
Beschluss
Der Haupt- und Finanzausschuss beschließt, die Verwaltung mit der testweisen Umsetzung der Übertragung von Ratssitzungen per Livestream für die Dauer von einem Jahr ab Einführung zu beauftragen und die hierfür erforderlichen Schritte einzuleiten.
Euphorie, Freudentaumel, Hochstimmung
Es wird mehrheitlich beschlossen, bei 5 Gegenstimmen aus der CDU. Das muss gefeiert werden. Man glaubt, bis zur Kommunalwahl noch maximal ein bis zwei Sitzungen im Netz übertragen zu können.
Zu früh gefreut
Das wird aber umgehend gecancelt, wie einige Punkte später in der Tagesordnung des Kämmerers zu entnehmen ist. Schwebte über Lünen schon länger das Damoklesschwert einer Haushaltssperre, ist es jetzt auch für mich amtlich. Wieder nichts mit Livestream.
17. Juni 2025
Weiß der Geier, wann die Haushaltssperre wieder aufgehoben wird. Wir sind im Jahr 2025 angekommen. Am 17. Juni wurde wieder getagt. Ich mache von meinem Recht Gebrauch und stelle von der Zuschauertribüne aus eine Frage:
„Ob und wann ist mit dem Livestreaming von Ratssitzungen zu rechnen?“
Antwort des Bürgermeisters:
„Eine Umsetzung des Livestreamings kommt aufgrund der aktuellen Lage nicht in Betracht.“
Das sagt er, ohne mit der Wimper zu zucken.
Tag des Livestreams
Für jeden Tag des Jahres gibt es einen sog. Aktionstag. Ich bin dafür, dass der 17. Juni zum Tag des Livestreams wird.
Das Livestream-Monster
Sechsundfünfzig E-Mails mit dem Ratsbüro, Ratsmitgliedern, Freunden und Bekannten sind dokumentiert. Mindestens genauso viele Telefonate wurden geführt. Fünfmal haben die Ruhr Nachrichten den Antrag begleitet. Fünfeinhalb Jahre – bis jetzt. Emil Zátopek würde mich als seinen legitimen Nachfolger in Sachen Ausdauer akzeptieren, glaube ich.
Wann die aktuelle Lage vorbei ist … niemand weiß es. Aber ich will positiv bleiben und werfe einen Blick nach vorne.
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Zum Schluss sei ein Blick in die Zukunft erlaubt: Es könnte sich um ein Bild aus dem Jahr 2050 handeln. Die nächste Kommunalwahl steht ins Haus. Der Bürgerantrag „Rats- und Ausschusssitzungen werden ab 2021 per Livestream ins Internet gestellt“, soll wieder im nächsten Rat behandelt werden.