Der Jakobsweg hat in den letzten Jahren einen Hype erfahren wie nie zuvor. Warum gehen so viele Menschen diesen Weg, berichten im Netz, schreiben Bücher und sind begeistert von dem Abenteuer?
Wir machen den Test. Denn auch in Lünen gibt es einen Jakobsweg – ca. 8 km lang und mit 30 m Höhenunterschied – also nichts für Warmduscher.
Können wir die kulturelle und landschaftliche Vielfalt entdecken, die körperliche Herausforderung bestehen und eine spirituelle Erleuchtung erfahren?
Aller Anfang ist schwer
Der Apostel Jakobus der Ältere ist Namensgeber des Jakobsweg. Ob er wirklich durch Lünen gekommen ist, wird von einigen Historikern bezweifelt.
Historisch belegt ist dagegen die Anwesenheit des preußischen Ministers vom Stein Anfang des 19. Jahrhunderts. Unser erster Halt nach der Stadtgrenze, dem Beginn des Weges. Die Steinsbuche – hier soll vom Stein regelmäßig eine Pause eingelegt haben. Es können nur kleine Pausen gewesen sein, wenn wir die Größe der Buche betrachten.
Wir biegen links in den Vogelsberg ein und lassen den Waldfriedhof rechts liegen. Am Ende des Richard-Schirrmann-Weges freuen wir uns auf die Pilgerherberge, doch Pustekuchen, hier wird renoviert. In einer langgezogenen Serpentine geht es in das Tal des Cappenberger Sees. Jesus hätte die Abkürzung über das Wasser genommen, wir müssen den Uferweg nehmen.
Die Seelandschaft
Der Cappenberger See ist ein wahres Naturschauspiel und wir erfreuen uns an der Ruhe und den Tieren. Noch ist nichts los, aber im Laufe des Tages kommen Hunderte von Menschen und Hunden, um die Ruhe zu genießen. Wir gehen weiter zum Yachthafen und haben einen herrlichen Blick auf eine kleine Insel und die Kirche von St. Bartholomä.
Ein paar Schritte entfernt gönnen wir uns eine Abkühlung im Freibad. Es bietet eine Rutsche, Liegewiesen sowie ein Sport-, Plansch- und Taufbecken. Von der Sonne getrocknet, machen wir uns auf den Weg zurück in die Zivilisation.
Zurück in der Zivilisation
Auf der Wehrenboldstraße finden wir eine Pilgerstation, an der es Kaffee und Kuchen gibt. Während der Pause können wir unsere verschwitzte Kleidung nebenan reinigen lassen. Allerdings ziehen wir alle Blicke auf uns, während wir unbekleidet schlemmen.
Mit frischem Gewand geht es über die Steinstraße zu einem sehr engen Durschgang. Wir sind froh, einen Pilgerstab dabei zu haben, denn in diesem bedrohlichen Weg können uns jederzeit wilde Tiere anfallen. Am Ende des Weges wartet die Ernst-Becker-Allee auf uns. Hier geht es vorbei an einer Siedlung von kleinen Steinhäusern. Die Eingeborenen habe die verschlungenen Wege „Hebbelweg“ genannt, nach dem Entdecker der Hebbelgesetze.
Wir laufen geradewegs auf den Lüner Zentral-Bahnhof zu, das Tor zur Welt. Mit dem Zug nach Dortmund fahren, der nächsten Pilgeretappe, ist keine Option, denn das wäre gepfuscht und wir bekämen auch keinen Stempel in den Pilgerpass. Also gehen wir weiter in Richtung City.
In die Metropole
Gleich zwei symbolträchtige Wahrzeichen stehen am Eingang zur Innenstadt. Die Persiluhr deutet darauf hin, dass nördlich der Lippe „alles sauber“ ist. Die Ochsen erinnern uns an unsere bisherige Ochsentour.
Auf der Lippebrücke blicken wir auf die Lebensader der Stadt. Wir verlassen nun das Erzbistum Paderborn und betreten das Erzbistum Köln. Für uns ein sehr emotionaler Moment und wir feiern „unser Bergfest“.
Ein Moment der inneren Einkehr ist die Kirche St. Georg. Eine klassisch westfälische Hallenkirche. Hallenkirche, weil es im Mittelschiff im dritten Joch einen besonders schönen Halleffekt gibt.
Jetzt brauchen wir aber eine Stärkung. Die finden wir in der Pilgerschänke „Drei Linden“. Uns wird Salzkuchen-Mett serviert, der ein bisschen aussieht wie ein Heiligenschein. Nach der Rast geht es vorbei an den „vier Heiligen“ (moderne Kunst, muss man nicht verstehen) zur Herz-Jesu-Kirche. Wir lindern unsere Schmerzen mit einem tiefen Atemzug Weihrauch.
In die Einsamkeit
Über den einsamen Wallgang und Osterfeld geht es schnurstracks in die endlosen Weiten der Gahmener Felder – Ackerscholle bis zum Horizont. Ab und zu sieht man einen Einsiedlerhof. Der Hofname hat oft den Zusatz „Schulze-“, früher eine Art Dorfchef. Da er unter anderem auch Kredite vergab, fragte er die Dorfbewohner oft „Schulze mir noch Geld?“ Daher kommt der Name.
Dann tauchen etwas eigenartige, helle Gebilde am Horizont auf. Sie werden Shell-Lager genannt. Wir begreifen sofort: Shell gleich Muschel und Muschel gleich Symbol für den Jakobsweg. Auf Telegram erfahren wir aus gesicherten Quellen, dass es sich um riesige Weihwassertanks handelt, die im Katastrophenfall die gesamte Region versorgen können.
Wir überqueren den Datteln-Hamm-Kanal, die bedeutendste Wasserverkehrsstraße zwischen Datteln und Hamm. Über die Bergstraße mit ordentlicher Steigung (der Name ist Programm) nähern wir uns dem Ziel der Reise, der Grenze zu Brechten.
Fazit



Die Beschilderung des Jakobswegs ist gut sichtbar und einfach zu verstehen. Landschaftlich ist der Weg in vielen Bereich ein Erlebnis. Körperlich sehr anstrengend, aber gut zu schaffen.
Wie sieht es mit den psychischen Erfahrungen aus und gibt es Antworten auf dringende Fragen:
Wer bin ich? Warum bin ich hier? Was soll ich tun?
Wir fühlen uns wieder lebendig, emotional genesen, im seelischen Gleichgewicht und haben in uns hineingehört. Mit einem Selfie haben wir uns – trotz des desolaten Aussehens durch die Strapazen – selbst erkannt.
Ich persönlich werde ein Buch schreiben, um meine Erfahrungen zu teilen und anderen Mut zu machen.
Das Bild zu der Textilpflege ist mein Favorit! Tapfer, einfach Weiterwandern, haben wir auch schon gemacht zwischen Bielefeld und Herford. Einfach der Jakobsmuschel folgen! Und dem Herzen! 😘
Durchaus richtig! Äußerlichkeiten sind völlig gleichgültig – nur die innere Einstellung zählt. Wir warnen allerdings davor, zu oft der Muschel zu folgen – man kann sich sehr schnell zumuscheln.
Böse-böse, was wird dazu denn wohl der Ober-Heimatpfleger Horst Störmer sagen????
Wir haben uns – mal wieder – köstlich amüsiert.
Mit den „Vier Heiligen“ sind wir nicht ganz einverstanden …. aber darüber können wir ja mal mündlich sprechen!
Barbara Höpping und Peter Freudenthal
:)))))
Trotz unserer investigativen Recherchen, gibt es auch bei uns ab und zu kleine, unbedeutende Fehler. Ich war gestern Abend nochmal bei den „Heiligen“ und habe die Erleuchtung erfahren. Hier also unser verspäteter Tipp: Bis zur Dämmerung in der Pilgerschänke „Drei Linden“ bei isotonischen Hopfengetränken verweilen. Dann den Weg durch das „radial“-Stadttor antreten und auf innere Erleuchtung hoffen.