Bitte besetzen sie die Leergutannahme

Es ist 18:40 Uhr. Bis zu den Heute-Nachrichten um 19:00 Uhr bin ich locker wieder Zuhause. Nur gerade eine Kiste Wasser kaufen. Gerolsteiner Naturell aus einer sanften Quelle der Vulkaneifel. Es schmeckt angenehm weich und wird mich erfrischen, sagt der Hersteller. Ich liebe es. Auch das Geschäft meines Vertrauens ist voller Liebe. Wohin das Auge blickt, überall liebt man Lebensmittel. Ich fühle mich auf Augenhöhe. Schnell die leere Pfandkiste in den Leergutautomaten geschoben, ab in den Laden und eine neue Kiste gekauft. Leider klemmt es irgendwie, denn der Automat verweigert seine Laufbandarbeit. Ich klopfe an die Wand zum Leergutraum, damit ein Mitarbeiter erscheint. Nichts passiert. Nach mehreren Klopfversuchen mit ansteigendem Geräuschpegel entdecke ich eine Klingel am Pfandgeldspender. Es ertönt eine laut vernehmliche Stimme:

Bitte besetzen sie die Leergutannahme!

Diese Aufforderung ist nicht zu überhören. Mittlerweile stehe ich seit fünf Minuten vor einem Pfandautomaten. Meine Pfandkiste und ich werden nicht erhört. Dabei hatte ich mir geschworen, mit Getränken in Pfandkisten einen kleinen Beitrag zur Rettung der Umwelt zu leisten. Gäbe es Eierlikör in Pfandkisten, ich wäre euer Kunde. So leicht gebe ich nicht auf. Mit verstärktem Druck mache ich auf uns aufmerksam. Was passiert? Die Stimme aus dem off:

Bitte besetzen sie die Leergutannahme!

Nach rund zehn erfolglosen Klingelattacken verlasse ich den Leergut-Annahmeverweigerungsort. Mit leerer Wasserkiste im Einkaufswagen rolle ich ins Innere des Ladens, der Lebensmittel liebt. Direkt vor den Leerguträumlichkeiten stoppe ich.

Von leeren Flaschen umzingelt, wende ich mich an eine der zwei Kassiererinnen, die mir sagt, dass sie die Kasse leider nicht verlassen dürfe. Immerhin ruft sie nach einem Kollegen, der bitte zur Leergutannahme kommen möge. Es rührt sich nichts. Dabei dachte ich, um diese Uhrzeit ist in den Läden wenig Kundenverkehr und man ist schnell wieder raus. Pustekuchen. Es ist genau umgekehrt: Je weniger los ist, desto länger dauert es. Das ist die Wahrheit, Freunde.

Nächster Versuch. Wieder zur Kasse. „War immer noch niemand da?“ Nein. Erneuter Aufruf. Tatsächlich sehe ich jemanden aus dem Lager kommen. Der geht allerdings in die falsche Richtung. Kommt aber irgendwann wieder. Ich stelle mich ihm in den Weg. Das erste, was er zu mir sagt – und das ist wirklich kein Scherz, liebe Freundinnen und Freunde, der liebenden Lebensmittel:

Eigentlich hab ich Feierabend!“

Da fühlt man sich als Kunde echt gewertschätzt. Ich sage zu ihm: „Und eigentlich bin ich Kunde!“ Darauf geht er nicht ein und mit viel Glück geht er mit mir in die Pfandflaschenhochburg. Womit niemand mehr gerechnet hat, gelingt es mir doch noch, mit einer Kiste natriumarmen Gerolsteiner Naturell, den Ort der lieben Lebensmittel zu verlassen. Mein Wasser punktet damit, dass es frei ist von Allergenen, frei von Gluten, frei von Laktose und frei von Gentechnik. Trifft auf den Laden meines Vertrauens auch zu: Er ist frei von Kundenorientierung. Auf dem Rückweg frage ich mich, ob ich nicht besser auf Mineralwasser mit wenig Kohlensäure umsteigen soll. Wer weiß, vielleicht kann der Automat mit Kohlensäure besser umgehen.
 
Zu Hause schalte ich den Fernseher ein. Die Heute Nachrichten sind Geschichte und es begrüßt mich Özden Terli: „Einen schönen guten Abend und herzlich willkommen zum Wetter.“

2 Kommentare zu „Bitte besetzen sie die Leergutannahme“

  1. Wieder einmal ein lesenswerter Artikel. Auch wenn ich eine solche Erfahrung in dem Laden, der Lebensmittel liebt, selbst noch nicht gemacht habe. Bisher waren alle Kontaktversuche zum hilfsbereiten Peronal dort stets erfolgreich. Und ich hatte nie auch nur den leisesten Verdacht „nervig“ zu sein.
    Was ich jedoch stets schade finde ist, dass Ihre Blog-Artikel nicht namentlich gekennzeichnet sind. Sie haben doch nichts zu verbergen, oder? 😉

    1. Ewald Oschmann

      Das freut uns. Vielen Dank für den Kommentar. Über die namentliche Kennzeichnung denken wir schon seit einiger Zeit nach. Wir warten noch auf besseres Wetter, denn wir wollen uns ja ins rechte Licht rücken. Es dauert nicht mehr lange, versprochen!

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